Ende April war ich für ein paar Tage in Israel.
Wann immer ich reise, brauche ich ein Auffangbecken für meine schnell fließenden Gedanken. Normalerweise schleppe ich ein handtellergroßes Moleskine mit, aber das hatte ich aus Gründen der Gepäckknappheit und der eigenen Schusseligkeit nicht dabei.
Nichts also, in das ich meine Hirnergüsse hätte hineinfließen lassen können. Allerdings lieh mir der Mann seinen Nexus 7 zeitweise aus, auf den er kurzerhand die “Writer”-App für mich installiert hatte.
Damit kann man arbeiten. Ich stelle aber immer wieder fest: am besten, schnellsten, ungehindertsten kann ich am Schreibtisch am großen Desktop schreiben, Unterarme auf dem Tisch, Tastatur spürbar unter den Fingern. Tippen fast ohne Hingucken. Den Gedanken freien Lauf lassen.
Ergebnis mit technischem Chi-Chi also unbefriedigend. Oder anders ausgedrückt: da ist noch Luft nach oben.
Menschen, die sofort nach Landung aufstehen, um dann minutenlang im Gang zu hibbeln. Noch nie verstanden.
Warten aufs Boarding.
Es ist warm, viel wärmer als in Hamburg. Warum sind Frankfurt und München eigentlich immer überheizt? Schaue mich um: die Arabisch sprechende junge Familie mit den ungebändigten Kindern, die um die Sitzreihen flitzen. Meine Schokolade wollte die Mutter nicht, aber vielleicht hat sie mich auch nicht verstanden. Die Kinder, ein Mädchen und ein Junge, er vielleicht sechs, sie vier, sehen aus wie die Mutter. Der Vater versucht sie auf Deutsch zur Räson zu bringen. Der Junge wiederholt lachend das hilflose “es reicht!” und rennt weiter. Krakeel, krakeel. Fliegen die etwa mit uns? Ich wünschte, ich hätte mein Ohropax griffbereit. Gehe im Geiste mein Gepäck durch. Verdammt, ich habe es ganz vergessen. Das wird noch lustig.
Blick wandert weiter: die ältere Dame, die ihre für Tel Aviv viel zu warme Jacke ins Handgepäck zu stopfen versucht. Ich möchte ihr dazwischengreifen. Wenn man die Jacke anders faltet und dann… Ach, was kümmert’s mich?
Neben mir der indisch aussehende Mittfünfziger, der eine Liebesschnulze im Taschenbuchformat liest. Bollywood auf dem Cover, buntes Herzensglück, for under 60 and over. Na dann.
Meine Damen und Herren, wir beginnen mit dem Priority Boarding. Der sportliche Pferdeschwanz, der schlauer sein wollte, wird abgewiesen. Holzklasse. Schade aber auch. Do I look like I fly fucking economy?
Finger hat ein starkes Gefälle. Winzige Maschine, voll ausgebucht, großes Handgepäck bitte am Eingang abgeben. Die Kneipenlaberbacken sitzen wieder neben uns. Dafür ist die arabische Großfamilie nirgends zu hören.
Julia
Genau das, was ich immer und bei jedem Transportmittel des öffentlichen Verkehres denke.