8:40. Scheint meine Zeit zu sein. Langsam aus dem Dämmerzustand gleiten, die volle Blase drängt, das Bewusstsein mischt Traumfetzen in die Realität. Seit Tagen ist das erste, was ich am Morgen sehe, die Uhrzeitanzeige auf meinem Handy. Auf 8:40. Egal, wann ich am Abend davor schlafen gegangen bin. Komisch. Zuhause wäre es nachmittags. Nein, ich glaube nicht an Jetlag. Sitze nun mit einem Kaffee auf dem Balkon, begleitet vom Rauschen der Wellen und der Sonne, die mich durch die Balkonstreben in ein Zebra verwandelt.
Wir sind endlich angekommen. Zumindest erstmal. Keine Irrfahrt mehr, kein nicht wissen, wo man am Ende des Tages sein Haupt betten und sein Bier trinken wird, endlich Balkon mit Meeres, pardon: Ozeanblick, eigene Küche mit riesigem Kühlschrank und Geschirrspüler (und by the way, den Herd hätte ich zuhause auch gern). Surf Motel Suites in Wrightsville Beach, Wilmington, North Carolina.
Wir haben lange danach gesucht. Seit wir aus New York raus sind, fahren wir darauf zu, ohne es zu wissen. Jeden Tag ein paar Meilen mehr. Das Ziel war so klar wie unkonkret: Stille und Abgeschiedenheit, verbunden mit dem unverbaubaren Blick aufs große Wasser (der Mann), und gleichzeitig der Möglichkeit, schnell zum nächsten Restaurant und Pub zu kommen, ohne eine Zugfahrkarte für hunderte von Dollar lösen und dreimal umsteigen zu müssen (ich). Das haben wir nun gefunden.
Der Strand ist unendlich lang und nicht zu breit. Und angenehm leer. Der September ist die perfekte Jahreszeit, um hierher zu kommen: es ist nicht mehr erdrückend heiß (wir haben aktuell angeblich 23°, aber ich kann das gar nicht wirklich glauben: die Sonne knallt ganz schön), aber die großen Ferien und damit der Andrang und die hohen Preise sind passé. Dennoch, wir sind an einigen Orten vorbeigekommen, schnuckelig und wunderschön, in jedem Reiseführer als “the place to be” deklariert, wo es nicht möglich war, entweder überhaupt ein Zimmer zu bekommen, oder eins zum relativ okayen Preis. In Onancock zum Beispiel kostete ein Queensize-Bett in einem B&B erstaunliche 170 Dollar. Plus Tax, versteht sich, die in jedem Bundesstaat eine andere ist und selbstverständlich NICHT ausgewiesen wird. Meine Frage, ob Onancock eventuell etwas “pricey” sein könnte, wurde gar nicht erst verstanden. “It is what it is, we’re trying to make a living.” Alles klar, Lady, wir fahren dann mal weiter.
Meine Antwort auf die Frage, warum die Hotelpreise hier so enorm hoch sind, ist im Übrigen: “weil wir es können”. Wir sind nur hier, weil uns dieser Ort wärmstens empfohlen wurde. Neulich an der Bar des Courtyard Marriot in New Bern (das mit dem fehlenden Bärenpenis im Stadtwappen) erzählte uns ein ehemaliger Lehrer und jetziger Businessman über einem Glas Bourbon auf Eis, dass man in Wilmington ja sehr günstig ein Zimmer bekommen könne, 130 bis 150 Dollar, das sei doch ein Schnäppchen. Wir schluckten still in uns hinein, lächelten höflich und wussten: ok, dann ist das eben so.
Am Wochenende steigen die Preise nochmal an. Dann wird’s wohl auch hier voll, aber wir haben schließlich Virginia Beach am Wochenende und den Times Square überlebt. Wir checken hier am Sonntag aus, dann ist es noch knapp eine Woche, bis wir uns dem heimischen Regen wieder aussetzen müssen. Was wir hiernach machen, wissen wir noch nicht. Wir wollen uns damit auch noch nicht auseinandersetzen. Erstmal chillen wir noch ne Weile auf unserem Balkon mit Meeres, pardon: Ozeanblick, und trinken lokales Bier aus dem eigenen Kühlschrank.
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