In dem Buchclub, dessen Mitglied ich seit zwei Jahren bin, haben wir irgendwann beschlossen, einen Groschenroman zu schreiben. Aus Jux und Dollerei und weil wir wissen möchten, wie sowas geht. Wie eine Geschichte funktioniert, an der mehrere Leute gleichzeitig stricken. Verschiedene Charaktere, verschiedene Perspektiven, verschiedene Stile. Sowas kann sehr spannend sein. Die Deadline ist noch sehr lange hin, 2020 wenn mich nicht alles täuscht. Bis dahin haben wir Zeit, uns mit dem Genre anzufreunden.
Ich kann nicht mal erklären, wieso, aber in meinem Kopf hat sich der Gedanke festgesetzt, dass es sich bei diesem Werk um eine Detektivstory handeln wird. Handeln muss. Klischees sind eben so leicht zu bedinenen. Auch ohne die berühmten Marlowe-Filme jemals gesehen zu haben, habe ich ein bestimmtes Bild im Kopf…
Ein winziges, verqualmtes Büro, die Füße ruhen im Cowboystil auf dem mit Papieren vollgestopften Schreibtisch, an der Tür ein Messingschild: zwei Initialen und ein Nachname und darunter der verheißungsvolle Titel “Privatdetektiv”.
Eine kurzberockte, kurvenreiche Blondine auf roten Highheels betritt den unaufgeräumten Raum mit Hinterzimmercharakter. Mini-Marlowe muss als erstes seine Kinnlade aufsammeln und die Stimme aus den Tiefen des Rachens wieder hervorholen. Überraschter Raucherhusten. Fast stolpert er über seine eigenen Füße, die nicht so schnell vom Tisch springen wie er vom Stuhl. Hoppla.
Die Blondine bemüht tränenreich und knallrotbelippt eine herzzerreißende Geschichte von einer nach langen Jahren wiedergefundenen und nun plötzlich entführten kleinen Schwester, einem bösewichtigen Mafiaboss mit Augenklappe und schleifendem Bein, vielen gewissenlosen Schergen, ganz viel Gefahr und noch mehr Geld. Der Detektiv fühlt sich in seiner Männlichkeit und Fürsorge gekitzelt, außerdem winkt ja das viele Geld, also legt er gönnerhaft den Arm um die Kleine und versichert ihr mit siegessicherem Blick in die tiefblauen Engelsaugen, keine Mühen zu scheuen, um ihre liebreizende Schwester wieder aus den Klauen der Mafia zu befreien.
Der Blick wird intensiver, die Welt um die beiden blendet sich wie von selbst aus, der Abstand zwischen ihren schmachtenden Lippen kann bald nur noch in Mikrometern angegeben werden. Unser Held wähnt sich bereits am Ziel, denn gleich werden sie sich küssen. Und es wird der Kuss des Jahrhunderts werden. Ein Mann spürt so etwas.
Doch in letzter Sekunde erwacht die Dame wie aus einer Trance und sie zieht ihren Rock glatt und stakselt aus seinem Büro, nicht ohne eine süße Duftspur hinter sich zu ziehen, die unserem Helden fortan nicht mehr aus dem Kopf, Verzeihung aus der Nase gehen wird.
So nimmt dann die Geschichte ihren Lauf. Eine Geschichte voller Verrat und Geheimnisse, voller Licht und Schatten, voller Widersprüche und Spannung. Unser Held nimmt Witterung auf, untersucht und recherchiert, schlüpft in verschiedene Rollen, sogar verkleidet wo nötig, scheut keine Konfrontationen, wenn es darum geht, Informationen aus Zeugen zu pressen, verschafft sich vor Blondine und Gegnern eine gehörige Portion Respekt — und hier und da Vorsprung vor den Schergen des humpelnden Einäugigen. Schmierige Typen verfolgen hinter der Zeitung von gestern versteckt jeden einzelnen seiner Schritte, und die Blondine selbst sorgt für allerlei ungeahnte Überraschungen. Das Leben ist eben nicht immer das, was es scheint.
Doch am Ende ist die kleine Schwester wieder zurück in der Zivilisation, der Drogen- und Menschenhandelring zerschlagen und die Stadt von einer großen Anzahl finsterer Gestalten gesäubert. Die Schwestern, in ihrem kaum zu fassenden Glück darüber, sich endlich und endgültig wiedergefunden zu haben, zeigen sich unserem Helden gegenüber in einer so selbstlosen Art und Weise dankbar, dass…
Nun ja, hier geht dann wohl meine Fantasie mit mir durch — oder die des Helden, wer will das schon so genau wissen…
Ich fürchte, so spannend ist es nur im Film. Ich habe mal ein wenig nachgeforscht. Der Alltag eines Privatdetektivs wird – im Quartett aus Auftrag, Recherche, Erfolg und Bezahlung – beherrscht von stundenlangem im Auto sitzen und Kaffee trinken. Man braucht Verschwiegenheit, Ausdauer, Computer- und am besten auch einige Rechtskenntnisse. Und dann gibt es noch die Unterschiede zwischen den Detektiven, die sich aus ihren Einsatzgebieten ergeben: Ein Privatermittler wird sich meist mit Sorgerechts- oder Vaterschaftsfragen beschäftigen, ein Wirtschaftsdetektiv untersucht Patentrechtsverletzungen und den Verbleib von Schuldnern, und schließlich haben wir da noch den Kaufhausdetektiv, der aufpasst, dass herumlungernde Jugendliche keine Süßigkeiten stehlen. Bei allen Aufgaben eines Detektivs muss er immer darauf achtgeben, dass seine Methoden vor Gericht Bestand haben.
Im Gegensatz zu unserem Helden darf er Zeugen also nicht gegen ihren Willen bedrängen und sich unerlaubt Zugang zum Büro des Hauptverdächtigen verschaffen, so lässig das im Film auch kommen mag. Die Auftraggeberin wird nach Auftragsende sehr wahrscheinlich nicht seine Geliebte, so glücklich sie über das Ergebnis auch sein mag, und ich glaube, das mit dem Rauchen im Büro hat sich mittlerweile auch erledigt.
Alles in allem klingt das nicht sehr spannend – zumindest nicht als Futter für einen Groschenroman.
Klaus Friese
Ich denke mal, Realismus ist für einen Groschenroman nicht das wichtigste Kriterium.
Als Einstieg würde ich mal den Malteser Falken empfehlen und ‘Der große Schlaf’.