Also ich bin ja nicht so der süße Typ. Mal, klar, vor allem als Dessert (das kleine süße Schmankerl nach einer üppigen Mahlzeit), aber niemals an einer Mahlzeit statt. Das macht mich einfach nicht satt. Süßes hat meiner Meinung nach nichts mit Sättigung zu tun. Und wenn ich hungrig bin, werde ich grantig.
Besonders aufregen tun mich dann jene Spaßgesellen, die, wenn ich Hunger beklage, mir dazu raten, einen Apfel zu essen. Ähm ja. Deswegen und weil ich sowas früher (lies: bevor ich nach Deutschland kam) nicht kannte, bin ich auch kein Anhänger des deutschen Brauchtums “Kaffee und Kuchen” zur Mitte des Nachmittages um halb vier. Zumindest nicht dann, wenn er üblicherweise hierzulande so praktiziert wird, sprich am Wochenende.
Das Wochenende ist ja dazu auserkoren, lange und ausgiebig zu schlafen, sich irgendwann aus dem Bette zu wälzen und in die Küche zu tapern, um einen Kaffee zu kochen, um sich dann mit diesem gemütlich vor den Rechner zu setzen und nachzuschauen, was die Welt da draußen so treibt. Online, versteht sich. Dabei ist noch lange keine Rede von Hungergefühlen, diese stellen sich erst nach geraumer Zeit ein, nach mindestens einer Stunde – oder wenn der Mann selbst Hunger entwickelt und sich für seine selbstverständlich nicht einzige Kernkompetenz an den Herd stellt: Frühstückseier. Das wochenendliche Frühstück zelebrieren wir mit Genuss und viel Liebe. Der Mann brät den Speck knusprig und die Eier dotterweich, schichtet alles ordentlich auf frisch getoastete Brotscheiben, schneidet Tomätchen und streut liebevoll Schnittlauch auf alles – und reicht mir die gesamte Konstruktion angereichert mit einem Kuss. Hach, das Leben kann so wunderbar sein.
Dies alles impliziert natürlich, dass wir mit diesem Spätstück weit in den Nachmittag, wenn nicht sogar frühen Abend hineinreichen. So ist es nicht unüblich, dass die Uhr bereits zur vierten, fünften oder gar sechsten Stunde schlägt, wenn wir die Frühstücksteller wegräumen. Selbstverständlich ist hiernach für eine ganze Weile nicht an eine weitere Mahlzeit zu denken, der Hunger meilenweit.
Was aber passiert, wenn man Einladungen von “normalen” Menschen folgt? Menschen, die womöglich Kinder ihr Eigen nennen oder gewisse Altersstufen erreicht haben, die sich gefühlt unendlich weit weg von der eigenen befinden? Einladungen am Wochenende, die nicht um 12 Uhr mittags sondern klar am Nachmittag angesetzt sind? Also einmal abgesehen davon, dass Einladungen mit eindeutigem Mittagessencharakter uns vor erhebliche logistische Schwierigkeiten stellen (Wann müssen wir aufstehen, um um 12 irgendwo zu sein? Sind wir dann schon salonfähig? Können wir zu solchen unchristlichen Uhrzeiten schon an Nahrungsaufnahme denken?). Ganz klar: bei diesen Einladungen handelt es sich um “Kaffee und Kuchen”-Events. Ausnahmslos.
Und da haben wir den Salat (harhar, I wish). Unsereins, gerade eben dem warmen Bette entsprungen, mit Chance vielleicht den ersten Kaffee intus (manchmal reicht die Zeit nicht einmal dafür), muss sich den Bauch mit diversen zuckerhaltigen, wenn auch leckeren, Bissen vollschlagen – und schwebt fortan in einer Zwischenwelt: vollgefressen aber dennoch hungrig und unbefriedigt. Süßes sättigt nun einmal nicht.
Nach dem vollständigen Ausknocken der Gäste mit einer gefühlten Tonne Zucker in allen Variationen gibt es nun zwei Möglichkeiten der Abendfortsetzung.
Variante eins: den Zucker in den Magenwindungen und den Frust über den nicht zufriedengestellten Gaumen auf der Seele macht man sich auf den Weg. Heim, um erst einmal zu Atem zu kommen und einen digestiven Tee zu trinken und um sich für den weiteren Abend zu wappnen. Denn dieser, ganz klar, verlangt nach einer Sättigung. Einer richtigen. Und die findet man zu späterer Stunde im favorisierten Restaurant um die Ecke, wo man mit Handschlag begrüßt und kulinarisch aufs Feinste versorgt wird. An ein Bemühen der eigenen Küche und Kochkünste ist selbstverständlich nicht zu denken, zusehr liegt einem der Kuchen nebst gesüßter Schlagsahne im Magen.
Variante zwei: die Gastgeber “haben auch was zu essen vorbereitet”. Man reicht handlich geschnittenes Gemüse zu Zwiebeldipp, selbstgebackenes Brot, Quiches und Tarten die sich gegenseitig mit ihren Belägen und Füllungen nur so überbieten, Salatkreationen aus Kräutern von deren Existenz man bislang nichts ahnte, und das Gulasch ist auch gleich fertig. Alles sieht wunderbar aus, der Tisch biegt sich unter den Gaben, eine wahre lukullische Freude. Allein – dafür brauchte es einen Hunger, oder zumindest einen Appetit. Und den unter den überzuckerten Geschmackspapillen zu finden, dürfte sich gerade als etwas schwierig gestalten. Aber was tut man nicht alles der Harmonie zuliebe? Man häuft sich die Leckereien auf Teller und Brot, knabbert wenig überzeugt an Grünem und stöhnt auf, sobald eine neue Überraschung den Weg aus der Küche findet. Später rollt man unter Zuhilfenahme eines Taxis nach Hause und verbringt den weiteren Abend unter Magenschmerzen und Schlaflosigkeit bei zweifelhaftem Fernsehprogramm.
Man missverstehe mich nicht: wenn ich den Morgen bereits früh begrüßt habe, ein Mittagessen (und vielleicht auch ein Frühstück) zu den Erledigungen des Tages zähle, erliege auch ich dem sogenannten Nachmittagstief, das nach Zucker schreit. Aber nur dann.
In diesem Sinne: Sugar? – No thank you Turkish, I’m sweet enough.
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