Ich wollte sie schon immer mal sehen, diese kolossalen Bauten, von denen manch einer behauptet, sie stammten von Außerirdischen. Wir haben bei unserem Taxifahrer gestern eine Tagestour gebucht: die Pyramiden von Gizeh, die Sphinx und Saqqara inklusive deutschsprachiger Führung. Kurz nach neun Uhr treffen wir unseren Taxifahrer von gestern und beginnen das große Abenteuer.
Zuerst gibt es ein kleines Frühstück, weil wir noch nichts gegessen haben. In einer Garküche etwa zwanzig Minuten vom Hotel entfernt bestellen wir uns Falafel mit Bohnen und Auberginen. Dazu gibt es noch kleine salzig eingelegte Zitronen, die leider nach stark parfümierter Seife schmecken.
Ich halte durch den Dunst Ausschau nach den Pyramiden, kann sie aber nicht sehen, was mich sehr wundert. Sie sind doch groß, wieso…? Als hätte er meine Gedanken gelesen, fragt der Fahrer in die Stille hinein: “Where are the pyramids?” Und weil wir zu doof sind sie zu finden, zeigt er sie uns. In einer völlig anderen Ecke als vermutet ragen sie plötzlich aus dem Dunst auf, hinter an uns vorbeifahrenden Autos und Wohnsiedlungen, Monumente aus einer anderen Zeit in die Gegenwart katapultiert. Wie das wohl so ist, in einer Stadt mit solch berühmten und historischen Bauwerken zu leben? frage ich mich und vermag es mir nicht vorzustellen.
Unsere deutschsprachige Führung ist eine Sie und hat – wie sich später rausstellt – Archäologie studiert. Ihr Akzent ist manchmal schwer zu verstehen, aber wir arrangieren uns. Sie führt uns zu den Pyramiden, erzählt von Dynastien und Pharaonen, von Bauzeiten und Baumaterialien und warnt uns vor den ambulanten Verkäufern auf dem gesamten Gizeh-Plateau. Diese nerven in der Tat (Sir? Sir? You want camel ride? Only eighty pound!) und wir lernen schnell, “La, shukran” zu sagen. Ignorieren fällt noch schwer.
Wir gehen in die Mykerinos-Pyramide, das ist die kleinste von den dreien. Die Gänge sind so niedrig, dass sogar ich fast auf dem Hintern robben muss. Drei- oder viermal macht mein Schädel Bekanntschaft mit der steinernen Decke. Abstieg und Wiederaufstieg sind harte Arbeit: unsere Oberschenkelmuskulatur wird es uns morgen danken.
Drinnen: heiße Luft. Leider schon vor Jahrhunderten geplündert, sind die Pyramiden heute leer. Kein Grab, keine Grabbeigaben, keine Verzierungen, nichts. Man bekommt nur eine leise Ahnung davon, was diese Bauwerke waren und wie sie gebaut wurden.
Wir bekommen eine Stunde Freizeit und wandern auf dem Plateau umher, besichtigen die Ruinen eines Tempels (Taltempel?) in der Nähe der Cheops-Pyramide und müssen die nächsten Kamelreiter und Postkartenverkäufer abwimmeln. Dann lesen wir im Reiseführer vom Schiffsmuseum und beschließen reinzugehen.
Die Hauptstadt war damals in Memphis ca 15km flussaufwärts, in Gizeh befanden sich nur die Gräber. Die toten Herrscher wurden in Memphis einbalsamiert und dann mit der Sonnenbarke den Nil runter bis nach Gizeh gerudert, wo sie dann zuerst im Taltempel einparfümiert und dann zeremoniell in den Pyramiden bestattet wurden. Die Sonnenbarke wurde in einer Grube neben der Cheops-Pyramide gefunden, in ihre Einzelteile zerlegt, aber perfekt erhalten. So gut in der Tat, dass man sie wieder zusammensetzen konnte und heute im Schiffsmuseum besichtigen kann.
Ein Rie-sen-ding! Ich bin erstaunt über die Ausmaße dieses Bootes, das im oberen Stockwerk des Museums aufgestellt ist. Im Original. Unten Bilder von Fund, Bergung und Rekonstruktion und einige interessante Objekte: Seile, mit denen die Schiffsplanken verbunden waren, Reste vom Doppeldach, einige Modelle des Bootes in unterschiedlichen Größen. Wir schlurfen mit unseren staubigen Überschuhen auf dem schönen Parkett, genießen die Stille und die Exponate und unterhalten uns mit einem Wächter über die Art und Weise, wie die Barke gefahren wurde.
Was wir nicht wussten, und damit gehören wir zu den bestimmt über 90% der Touristen, die sich die Pyramiden anschauen, ist, dass es zu jeder der bekannten drei großen noch jeweils drei weitere Pyramiden gibt: eine für die Königin, eine für die Mutter und eine für die Tochter. Mindestens fünf Mal kleiner, und deren Besichtigung kostet auch nichts. Warum auch? Wir gehen in eine. Auch hier niedrige Gänge und leere Kammern. Schade.
Nach den Pyramiden schauen wir uns die Sphinx an, die das gesamte Areal bewacht. Cheops hatte sie aus einem übriggebliebenen Steinblock hauen lassen. Leider kann man nicht ganz herumlaufen, dennoch ist der Löwenkörper mit dem Menschenkopf imposant. Am besten fand ich den Schwanz, den man ihr ans Hinterteil gemeißelt hat und der sich schwungvoll nach oben schlängelt. Auf ihrem Kopf eine Horde von Vögeln, die irgendwann hochschrecken, um sofort wieder an ihren angestammten Platz zurückzukehren.
Die Mittagszeit verbringen wir in einem Buffetresaurant. Das Essen ist… nun ja, essbar, wir verzichten auf Kaffee oder Dessert und machen, dass wir weiterkommen. Nächste Station: Saqqara. In Saqqara (auf Deutsch Sakkara) befinden sich die ältesten Pyramiden der Welt. Stufenpyramiden, keine spitzen Pyramiden, wie die in Gizeh. Leider ist die Pyramide des Djoser gerade umringt von einem Baugerüst, da sie restauriert wird, deswegen kann man nicht hinein. Vor einigen Jahren war das noch möglich, erfahren wir von der Reiseführerin. Und dass es drinnen sehr schön sei. Nun ja.
Wir laufen im offenen Hof herum, sehen uns das interessante Holzgerüst an, das – genau wie die Sonnenbarke zuvor – auch nur mit Seilen zusammengehalten ist, gehen später noch in eine sogenannte Mastaba und bewundern die wunderschönen und unglaublich gut erhaltenen Reliefs an den Wänden. Fotos dürfen wir keine machen, aber mit den Fingern über die Wände fahren scheint ok zu sein. Der zuvor von uns ignorierte Wächter schließt uns fast ein, wir fahren wieder los.
Ich schlafe auf der Rückfahrt ein, meine Sonnenbrille gräbt sich tief in meine Stirn. Ein komischer Ferengi blickt mir aus dem Spiegel entgegen, als wir wieder im Hotelzimmer sind. Wir beschließen, den Tag am Pool ausklingen zu lassen. Ein Pool auf dem Dach mit Blick auf den Nil – sowas hat man nicht alle Tage.
Zum Abendessen finden wir uns wieder im Tabula ein, weil uns das gestern so gut gefallen hat. Wir bestellen erneut nur Vorspeisen und sind froh, dass wir die Hauptgerichte außer Acht gelassen haben, denn mit fünf Vorspeisen wird man auch gut satt. Es gibt Hummus mit Brot, Auberginenpürree, verrührten Ziegenkäse, Teigdreicke mit Hackfleisch und Chicken balls, die unglaublich lecker sind. Klare Sache: wenn wir wieder zurück sind, werden wir die und das Hummus nachkochen. Ich frage den Kellner nach dem Rezept.
Mit roten Gesichtern, wehen Füßen und einem beginnenden Muskelkater in den Oberschenkeln gehen wir nun – es ist nach halb zwei – ins Bett, denn morgen wollen wir früh nicht ganz so spät aufstehen und ins Ägyptische Museum gehen. Das ist übrigens am Tahrir-Platz.
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