Da ist sie also, meine italienische Phase. Seit Wochen schon träume ich in grün-weiß-rot, wähne mich an langen Tafeln unter der Sonne der Toskana, rot-weiß-karierte Tischdecken soweit das Auge reicht, die Tische biegen sich unter riesigen Schüsseln voll von italienischen Schmankerl: cremige Risotti, dampfende vielgestaltige Nudeln in bunten Farben, langsam geschmortes Fleisch das sich vom Knochen löst und dem Genießer vor Entzücken die Augen gen Himmel schnellen lässt.
Und dann die Sprache, die Sprache! Nie hat eine Sprache so viel Gefühl zu vermitteln vermocht wie die italienische, so viel Temperament, so viel Ausdruck. Die Buntheit und Vielfalt der Worte gepaart mit der Buntheit und Vielfalt der Speisen. Worte verwandeln sich im Munde in wohlschmeckende Gerichte, Aromen finden ihren Weg zum Zuhörer durch Gaumen und Ohr, es ist ein Gedicht. Ganz klar, ich bin verliebt. Und Liebe — nun ja, bei mir geht sie eindeutig durch den Magen.
Seit ich vor einem Jahr im Cilento war, lacht mich das ragú alla napoletana immer wieder an. Dieses Schmorgericht, das stundenlang bei kleinster Hitze vor sich hin brodelt und das Haus mit seinem Duft erfüllt. “Komm”, flüstert es mir zu, “lass dich verführen… Es stimmt, dass du dafür lange in der Küche stehen wirst, aber das Brutzeln und Schmoren wird dich mit Sinn erfüllen. Wenn du dann am Ende des Tages mit einem Stück Brot die Sauce vom Teller wischen, du dir anschließend genüsslich die Finger lecken und in den Augen deiner Gäste die reine Glückseligkeit entdecken wirst — das ist mehr als genug Entschädigung.” Ich ahnte, dass diese Stimme Recht behalten würde, auch wenn ich es immer wieder schwierig finde, diese Aktivität in meinen Tagesablauf unterzubringen. Aber was bekanntlich hilft, ist ja, Nägel mit Köpfen zu machen, und so kaufte ich eines Tages in jugendlichem Tatendrang und einem gutsortierten Lebensmittelgeschäft einen Haufen Fleisch und andere Ingredienzen, die mich dem ragú näher bringen sollten.
Viele Wege führen nach Rom, auch wenn das ragú napoletano… nun nicht gerade aus Rom kommt. So hat denn auch jeder Neapolitaner sein eigenes überliefertes Familienrezept, auf das er seit Jahrhunderten schwört. Es schmeckt eben nirgends besser als bei Mamma. Man darf sich da nicht täuschen, diese Rezepte werden mit Händen und Füßen verteidigt, manch ein Krieg ist aus dem Streit hervorgegangen, ob im ‘rrau die Zwiebeln gleich am Anfang glasiert werden oder erst, nachdem das Fleisch schon eine Weile schmort. Dieses Video beweist es: man darf eine neapolitanische Hausfrau niemals bezüglich ihres ragú-Rezeptes kritisieren!
Sanníe
Sag, wer war das noch, die nachts auf der Schanze zu uns sagte: "Ach, was Ihr immer mit Italien habt!"?