Das scharfe, trockene Geräusch fuhr ihm durch Mark und Bein. Er war sofort hellwach. Was war das denn? Dann spürte er es. Stechend, heiß, bohrend, reißend. Innerhalb von Sekunden explodierten Wellen von betäubendem Schmerz durch seinen ganzen Körper. Nie hätte er gedacht, dass solche Schmerzen wirklich existierten. Damals, im Nest, hatten die Älteren den Jüngeren Horrorgeschichten erzählt, um sie zum Weinen und um ihren Schlaf zu bringen, aber als er selbst älter wurde, hatte er sich mit der Gewissheit beruhigt, dass seine Art zu solchen Empfindungen gar nicht in der Lage war. Doch nun war die Wirklichkeit über ihn hereingebrochen und hatte ihn höhnisch eines Besseren belehrt.
Er versuchte, den Schmerz zu lokalisieren. Die nebulöse Höllenqual, die von überallher zu kommen schien, machte es ihm nicht leicht. An jeder Ecke seines Körpers schien sich die Pein zu vervielfältigen und in alle Richtungen auszustrahlen, an jeder Biegung echote es grell. Er konzentrierte sich mit all seiner verbleibenden Kraft. Nach einer Weile schien sich die Schmerzspirale nur noch in eine Richtung zu bewegen, von oben nach unten. Er atmete vor der nächsten Schmerzwelle ein und hielt den Atem an. Ja, es war der Kopf. Was war bloß passiert?
Erst jetzt bemerkte er seine Befüllerin, die über ihm gebeugt stand, die Stirn ratlos in Falten gelegt, den Blick prüfend. Sie murmelte etwas, doch er konnte ihre Sprache noch immer nicht verstehen. Sprachen waren nie seins gewesen. Nicht so wie viele seiner Kollegen, die sich damit rühmten, die Gespräche ihrer Befüller Wort für Wort wiedergeben zu können. Das war ihm nie wichtig gewesen. Er hatte sich stets darauf konzentriert, lautlos und unsichtbar seine Aufgaben zu verrichten. Der perfekte Butler.
Sie betastete seinen Kopf und für wenige Sekunden schien der Schmerz unter ihren zarten Fingern zu verblassen. Ja, das ist gut. Er gab einen quietschenden Seufzlaut von sich, ermutigte sie, weiter zu machen, bei ihm zu bleiben und seinen Schmerz zu lindern. So wird es sein, dachte er. Sie wird mich heilen. Und dann wird alles wieder wie früher sein.
Doch sie zuckte nur mit den Schultern, ließ ihn wieder los und ging davon. Denn auch sie verstand seine Sprache nicht. Sie wusste nichts von seinen Empfindungen, seinen Ängsten und seinen Wünschen. Sie kannte seine Gedanken und Träume nicht. Sie ahnte nicht, dass er sich nach ihrer Berührung sehnte und dass er sich manchmal, wenn er nachts nicht schlafen konnte, ihre Stimme in Erinnerung rief.
Für sie war er nur ein kaputter Mülleimer.
Vor kurzem ist unserem Mülleimer die Deckelklappe entzweigegangen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was da passiert sein könnte, ich war nicht dabei. Nun wünscht sich der Mann einen, der bei seinem bloßen Anblick das Maul aufsperrt. Kann mir schon denken, wieso…
Ich jedenfalls dachte bisher immer, das gibt’s nur im Film. Aber mir scheint, hier werden wir fündig. Einzige Sorge: die Klappe könnte uns in unserem Wegwerfschwung durch ihre eingebaute Langsamkeit bremsen. Ach ja, und mein Lieblingsstück gibt’s nur mit Fußbetrieb: den mit den Wörtern, der einzige, der wirklich in diesen Haushalt passt.
Bastian
Sehr emotional berichtet! Dabei soll man sein Herz doch nicht so an Dinge hängen … aber ich hab da auch so meine Probleme mit.