Wir waren im Ägyptischen Museum. Man kann nicht in Kairo sein, ohne ins Ägyptische Museum zu gehen, DEM Aushängeschild der ägyptischen Hauptstadt, DEM Publikumsmagnet, DEM… ihr wisst schon, DEM eben.
Außerdem liegt das Ding in fußläufiger Nähe zum Tahrir-Platz, da muss man ja dann auch unbedingt hin, wenn man schon mal da ist.
Vorher hatten wir im Reiseführer gelesen, dass das Museum aus allen Nähten platzt und fürs nächste Jahr die Eröffnung eines Anbaus geplant ist, an dem bereits seit längerem fleißig gebaut wird. Ich war sehr gespannt. Endlich die goldene Maske des Tutenchamun sehen, die ich im Jahre 1981 verpasst hatte, weil ich damals noch nicht in Deutschland lebte.
Warm strahlt die Sonne an diesem Donnerstagnachmittag, als wir uns von unserem Hotel zu Fuß auf den Weg zum Museum machen. Wir schlendern über die Kasr Al Nil Brücke, machen Fotos von Ägyptens Halsschlagader und ignorieren brav die “Hello sir, how are you?” und “Taxi? Only eighty pound”-Rufe, die uns entgegenschallen. Nach einem kurzen Weg durchs Gassengewirr steht es plötzlich vor uns: Majestätisch hebt sich der wunderschöne rote Bau über den Vorplatz, der übersät ist mit Sarkophagen, Statuen und sonstigen Artefakten. Ein paar junge Leute lungern scheinbar sinnlos im Schatten der wenigen Palmen, einige mehr drängen sich an den Ticketschaltern. Auch wir stellen uns an. Links arabische Anzeige, rechts arabisch und englisch. Vor uns am rechten Schalter einige Asiaten, die irgendwie den Verkehr aufhalten. Wir versuchen es links, da ist es leer, werden aber wortlos wieder nach rechts geschickt. Gut, der kann wohl kein Englisch, deuten wir. Die Frage nach einem Fotoapparat verneinen wir am Eingang pflichtbewusst, und ich traue mich später auch tatsächlich nicht, Fotos zu machen, obwohl ich es gern getan hätte. Im Nachhinein bin ich mir sicher, es hätte absolut niemanden gekratzt.
Statuen, Masken, Grabbeigaben, Möbelstücke, Schmuck, Schreibutensilien, Steine, religiöse und Haushaltsgegenstände – das Museum ist vollgestellt mit kleinen und großen staubigen Kästen, die meisten davon nicht beschriftet, sieht man einmal von ein paar arabischen Zahlen ab, die wie lieblos hingekritzelt wirken. Je mehr ich die verwinkelten Gänge abgehe, je mehr Artefakte ich sehe, umso mehr formt sich in meinem Kopf ein Gedanke, der so ketzerisch wie wahr ist: warum überlässt man die Darstellung der Geschichte Ägyptens denn bitte den Ägyptern? Die können ja doch nichts daraus machen.
Oh man, ehrlich. Das Ägyptische Museum ist vielleicht der einzige wirkliche Grund, warum Touristen sich Kairo anschauen, man könnte meinen, dass diese Stadt ihren größten Joker gut auszuspielen weiß, aber nein, dem ist leider nicht so. Das Museum wirkt wie ein altes Schulgebäude von 1920, das seit Jahrzehnten nicht mehr renoviert wurde. Aufgeplatzter Linoleumboden, die Schaukästen sind bestimmt noch von den Franzosen oder Engländern, die Beschriftungszettel vergilbt. Durch die offenen Dachfenster weht Staub hinein, den zwei Mitarbeiter auf einer wackligen Leiter mit Hilfe von Handfeger und Schaufel versuchen von den Glaskästen zu fegen. Die Museumsstücke sind zwar irgendwie nach Dynastien und Epochen geordnet, davon zeugen nicht zuletzt die unterschiedlichen Räume und die paar Schautafeln, die wir erst gegen Ende unseres Besuches entdeckten. Aber ich hätte mir mehr roten Faden gewünscht, mehr Erklärungen, die mich auf meinem Weg durch die Geschichte dieses Landes an die Hand nehmen, die mich begreifen lassen, was Ägypten zu dem gemacht hat, was es heute ist. Die Geschichte dieses Landes – und nicht zuletzt die ihrer Entdeckung – ist so großartig, vielfältig und interessant, dass sie doch bitte ordentlich aufbereitet gehört. Eine gut sichtbare Zeitleiste, thematische Schauräume und Gruppierungen der zur Schau gestellten Gegenstände, und man muss vielleicht auch nicht alle gefühlt dreitausend gleichen türkisfarbenen Skarabäen aufstellen, die man zur Verfügung hat, zur Veranschaulichung reichten zwanzig. Echt schade. Ich hatte mich sosehr darauf gefreut.
Und dann lese ich von der in Deutschland gezeigten Tut-Ausstellung, dass drei der Grabkammern originalgetreu nachgebaut wurden, damit die Besucher einen “authentischen Raumeindruck” bekommen können, und denke: Ja, genau, warum denn nicht so?” Wenn ich wieder komme, will ich dahin. Da verspreche ich mir weit mehr von.
Jamie
Danke :)
Meine Schwiegermutter war Mitte der Sechziger mal im Museum und berichtet, dass dort alles unsortiert aufeinander gestapelt war – und vor allem ungesichert. Man hätte sich einfach so bedienen können, keiner hätt’s gemerkt. Wahrscheinlich haben das Leute auch getan, ich würd’s denen nicht mal verdenken.
Lutz
hihi,
schon so deutsch geworden ? :-)
Wir sind nun mal ungeschlagen wenn es ums Sortieren, Katalogisieren, Organisieren und Dokumentieren geht.
Übrigens: wenn dich das allgemein zugängliche des Museums schon schockiert hat, dann musst du dir mal einen Bericht antun über die Schätze in dessen Keller. Da ist so gut wie nichts dokumentiert. Tausende ungeöffneter Kisten.
Da könnte die Bundeslade eingelagert sein und keiner würde es je erfahren.
Schönen Urlaub noch.